Biografien  

Amanda Tietz

geboren 23.08.1889 Garding/Eiderstedt
ermordet 05.06.1944 KZ Ravensbrück

Amanda Tietz
Amanda Tietz (Privatarchiv: Familie Tietz)

Beruf Hausfrau
Wohnort bei Verhaftung Marburg/L.
Haftzeitraum März/April 1944

Biografie

Amanda Margaretha Catharina Cornils wird am 23. August 1889 in Garding, Schleswig-Holstein, als drittes Kind des Sägewerkbesitzers Arrien Peter Amandus Cornils und seiner vom sog. „Blumenhof“ in Tating stammenden Ehefrau Ingeborg Catharina Cornils, geb. Hostrup, geboren.

Ostern 2013 verlobt sie sich mit dem 28-jährigen Juristen Willy Tietz, den sie auf der Hochzeitsfeier gemeinsamer Freunde in Marburg kennengelernt hat.

Willy Tietz - seine Eltern waren Juden, jedoch bereits 1885 mit ihren sechs Kindern zum evangelischen Glauben konvertiert - lebt zu dieser Zeit in Driesen/Neumark, wo er den Holzgroßhandel seines verstorbenen Vaters leitet. Da Driesen nach dem ersten Weltkrieg zu Polen gehört, gibt er den Betrieb auf und folgt seiner Verlobten nach Hamburg, die dort zusammen mit ihrer Schwester Anna und deren Sohn Rolf bei ihrer Mutter lebt.

Am 3. April 1920 können Amanda und Willy Tietz endlich heiraten, am 11. März 1921 kommt ihr Sohn Horst Willy Julius Amandus zur Welt. Es folgen für die kleine Familie sehr glückliche Jahre mit enger Bindung an die übrigen Familienmitglieder. Auch beruflich ist Willy Tietz mit dem von ihm in Hamburg neu gegründeten Holzkommissionsgeschäft zunächst erfolgreich. Dies ändert sich durch die Weltwirtschaftskrise Ende der 20iger Jahre und den zeitgleichen rasanten Aufstieg der NSDAP.

Obwohl Amanda und Willy Tietz nach dem damaligen Sprachgebrauch in einer „privilegierten Mischehe“ leben – Willy Tietz gilt nach der nationalsozialistischen Abstammungslehre trotz seines christlichen Glaubens als Jude, muss aber aufgrund der „arischen Abstammung“ von Amanda Tietz keinen Judenstern tragen – ist er seit der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 massiven Anfeindungen im Alltag ausgesetzt. Der NS-Terror macht auch vor der eigenen Familie nicht halt. Im Januar 1930 wird Amandas Bruder Walter Mitglied der NSDAP. Und als sogar ihr Neffe Rolf nach seinem Abitur 1935 der SA beitritt, verbietet sie ihrem Sohn Horst den weiteren Kontakt mit ihm. Sie leidet maßlos unter ihrem Schuldgefühl als „Arierin“ und hasst die Nazis so sehr, dass sie mit allen Verwandten ihrer Seite bricht, selbst wenn sie nur den Verdacht hat, sie seien „braun“.

Bei den Luftangriffen auf Hamburg im Februar 1943 verliert Familie Tietz ihre Wohnung und sämtlichen Besitz. Sie gehen nach Marburg, werden dort aber von ihrer Vermieterin denunziert und von der örtlichen Gestapo für den 24. Dezember 1943 vorgeladen. Während des stundenlangen Verhörs wird auf Amanda Tietz Druck ausgeübt, sich von „dem Juden“ zu trennen, indem man ihr die Freiheit verspricht. Sie quittiert dieses Ansinnen damit, dass sie vor den Beamten ausspuckt. Willy Tietz versucht seinerseits vergeblich, sich das Leben zu nehmen, um auf diese Weise die Trennung herbeizuführen. Sie werden in Einzelzellen des Marburger Landgerichtsgefängnisses untergebracht.

Am 6. März 1944 wird Amanda Tietz zusammen mit ihrem Mann und ihrem Sohn als Gestapo-Gefangene dem sog. „Arbeitserziehungslager“ Breitenau überstellt. Dort wird sie erneut von ihrem Mann und ihrem Sohn getrennt und dem Frauenhaus zugeteilt, ihr Mann und ihr Sohn kommen in den sog. „Zellenbau“. Unter den unmenschlichen Haftbedingungen und Misshandlungen in Breitenau erkrankt Willy Tietz schwer und stirbt am Morgen des 23. April 1944 in den Armen seines Sohnes, unmittelbar vor dessen Deportation in das Konzentrationslager Buchenwald.

Auf dem Weg zu seinem im Sterben liegenden Vater wird Horst Tietz in den Hof geschickt, um seine Zivilkleidung zu erhalten. Im Nebenhof stehen einige weibliche Häftlinge zum Abtransport bereit. Unter ihnen erkennt er eine kahlgeschorene Frau, die ihm weinend zuwinkt. Es ist seine Mutter, die er nicht mehr wiedersehen wird.

Amanda Tietz wird zunächst in das Polizeigefängnis Leipzig und am 2. Mai 1944 zusammen mit 54 weiblichen Häftlingen in das Konzentrationslager Ravensbrück verbracht, wo sie unter der Häftlingsnummer 37632 registriert und in Block 9 untergebracht wird. Ihr Sohn, dem im Juli 1944 ein Sonderbrief vom KZ Buchenwald in das KZ Ravensbrück genehmigt wird, erhält von dort am 20. Juli 1944 die Mitteilung, dass seine „Mutter Amanda Tietz am 5. Juni 1944 im hiesigen Lager verstorben“ sei. Die näheren Umstände ihres Todes bleiben trotz intensiver Nachforschungen unbekannt.

Diese Biografie wurde von den Enkelinnen und dem Urenkel von Amanda Tietz verfasst. 

Zu den ausführlichen Biographien gelangen Sie hier

Quellen: 

Thevs, Hildegard, Stolpersteine in Hamburg, www.stolpersteine-hamburg.de

Tietz, Horst, Aus dem Leben durch die Hölle zum Polarstern, 1921-1950, unveröffentlichtes Manuskript, notiert 2006/2007

ITS International Tracing Service, Bad Arolsen, Schreiben (2008)

Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, E-Mail (2011)

 

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Amanda Tietz
Amanda Tietz (Privatarchiv: Familie Tietz)